Ein halbes Jahrhundert im Albert-Schweitzer-Kinderdorf
Ursula Demuth nach 50 Jahren als Hauswirtschafterin in den Ruhestand verabschiedet
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„Wer hat so viele verschiedene Chefs ausgehalten? Wer hat die pädagogische Entwicklung im Kinderdorf miterlebt? Wer hat hier so viele Kinder kennengelernt und kam mit ihnen gut zurecht?“, fragte Heinrich Schüz, Dorfleiter sowie Vorstand im pädagogischen Bereich, bei der Verabschiedung und beantwortete sogleich die Frage: „Niemand - außer? Es gibt nur eine: unsere Ursula Demuth.“
1966 begann die Waldenburgerin als Lehrfrau in der Hauswirtschaft, wie es damals hieß, ihre Tätigkeit im Albert-Schweitzer-Kinderdorf. Als 16-Jährige kochte sie bereits für bis zu sechszehn Personen. Eine Herausforderung, die sie mit Bravour meisterte und ihr große Freude bereitete. Nur wenn der Hausvater eines seiner Leibgerichte, Nierle, wünschte, musste die junge Ursula mit sich kämpfen. Schließlich wurde von ihr erwartet, dass sie am Tisch den Kindern mit gutem Beispiel voranging und auch die Nierle aß. Damals wurde Ursula Demuth von den Kindern noch mit „Tante“ angeredet, was sie zum Schmunzeln brachte. Schließlich waren die Jugendlichen in der Kinderdorffamilie im gleichen Alter oder sogar älter. Später nannten die Kinder sie Ulla, da ihnen Ursula zu lang war. Unter diesem Namen ist sie bis heute bei Groß und Klein im Kinderdorf bekannt und geschätzt. Die 15-Jährige Ursula wohnte bei ihrer Kinderdorffamilie im Haus. Sie teilte sich ein Zimmer mit einer Praktikantin und die beiden jungen Mädchen waren unzertrennlich wie Schwestern. In schöner Erinnerung sind ihr die Faschingsbälle geblieben, zu denen Prof. Hans Hönigsberger, Dorfleiter von 1962 bis 1974, eingeladen hatte. In einem selbstgenähten Kleid tanzte Ursula Demuth zusammen mit ihrer Zimmergenossin ihre erste Nacht durch. Die Hausmutter hatte am nächsten Tag Erbarmen und schickte die beiden Mädchen am Nachmittag ins Bett. Ein besonderes Erlebnis war auch der Urlaub mit einer Kinderdorffamilie auf Fehmarn. Zusammen mit den Kindern schlief Ursula Demuth am Strand in Zelten.
Weniger schön war der Kellerbrand in einem Kinderdorfhaus. Von oben bis unten war das Haus voller Ruß, selbst die Wäsche in den Schränken war schwarz. Bis das Haus wieder bewohnbar war, mussten unzählige Putzeimer geleert werden. An ihrer Tätigkeit im Kinderdorf schätzte Ursula Demuth besonders, „dass kein Tag wie der andere war und ich immer ein Teil der Kinderdorffamilien gewesen bin.“ Rund 87 Kinder hat sie in den 50 Jahren im Kinderdorf begleitet und nach ihrer Heirat auch noch zwei eigene Kinder großgezogen.
„Als Gedächtnis des Kinderdorfes“, wie Heinrich Schüz die frischgebackene Ruheständlerin auch gerne bezeichnet, verfügt Ursula Demuth über einen besonderen Erinnerungsschatz. Seit ihrem Arbeitsbeginn 1966 sammelt sie alle Zeitungsberichte, Fotos, interne Mitteilungen und Karten, die ihr die Kinder schenkten, in Alben und hat so ein einzigartiges Zeitdokument zu der Geschichte des Albert-Schweitzer-Kinderdorfes in Waldenburg geschaffen.
Als Ursula Demuth mit vierzehn Jahren zusammen mit ihrem Vater das Kinderdorf zum ersten Mal besuchte, war für sie sofort klar: „Hier möchte ich arbeiten“. Aus dieser intuitiven Entscheidung folgte ein 50-jähriges, rundherum erfüllendes Berufsleben. Auf der Abschiedsfeier war die Jubilarin sichtlich gerührt, als ein Chor aus Mitarbeitern und Kinderdorfmüttern ein selbstverfasstes Lied sang. Auch wenn sie die Ruhebank, die sie für den Ruhestand überreicht bekam, gerne nutzen wird, so bleibt sie „ihrem“ Kinderdorf weiterhin verbunden.
Foto: Albert-Schweitzer-Kinderdorf , Waldenburg